Viele kleine Mosaiksteine für Winden
Die Ortsgemeinde Winden steht heute in vielen Bereichen besser da als noch vor fünf Jahren. Diese Auffassung vertritt Ortsbürgermeister Gebhard Linscheid (51) im Interview mit der Redaktion von Wir in Winden. Die Entscheidung für wiederkehrende Straßenausbaubeiträge hält der Ortschef, der sich am 25. Mai um eine dritte Amtszeit bewirbt, weiterhin für richtig, ebenso wie das Ziel eines Gewerbegebiets für Winden. „Um ein Mosaikbild zu erhalten, benötige ich viele kleine Mosaiksteine“, beschreibt Linscheid seine Politik mit einer anschaulichen Metapher. Und in der Zukunft müssten weitere Mosaiksteine hinzukommen, um Winden noch attraktiver zu machen.
Lesen Sie das Interview mit Gebhard Linscheid hier im Wortlaut:
Ihre zweite Amtszeit geht dem Ende entgegen. Steht Winden heute besser da als noch vor fünf Jahren?
Gebhard Linscheid: Aus meiner Sicht stand und steht Winden immer gut da. Dies ist auf die Bürgerinnen und Bürger von Winden und deren ehrenamtlichen Einsatz zurückzuführen. Die Schwerpunkte des Gemeinderats und des Ortsbürgermeisters lagen in den ersten fünf Jahren meiner Amtszeit auf anderen Themen als in dem Zeitraum von 2009 bis heute. Von 2004 bis 2009 war die Zeit der Haushaltskonsolidierung, der Erschließungsmaßnahmen am Götzentaler Weg sowie im alten Weg. Ende des Jahres 2008 wurde durch die Bürgerinnen und Bürger von Winden im Rahmen eines Workshops im Bürgerhaus dem Gemeinderat ein Arbeitspapier von Forderungen an die Hand gegeben. Die Umsetzungsphase erfolgte von 2009 bis heute.
Der Gemeinderat und ich haben während den letzten fünf Jahre immer wieder diesen Forderungskatalog hervorgeholt und uns gefragt: Was wurde erledigt, und was muss noch angestoßen werden? Hinsichtlich der harten Fakten steht Winden in vielen Bereichen besser da als 2009. Ohne die Beteiligungs-und Planungsphase von 2007 bis 2009 wäre vieles in Winden nicht umgesetzt und verwirklicht worden.
Gab es auch Rückschläge?
Linscheid: Rückschlag ist für mich nicht das richtige Wort. Manche Vorhaben und Ideen nehmen Wege, die ich vorher nicht so gesehen habe. Aber auch das sind normale Vorgänge in einem Entscheidungs- und Umsetzungsprozess.
Gegen die wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge gab es erhebliche Widerstände in der Bevölkerung. Welche Bilanz ziehen Sie?
Linscheid: Für mich persönlich ist die Entscheidung für die wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge ohne Wenn und Aber richtig. Die Informationen über den Entscheidungsprozess zur Satzung der wiederkehrenden Beiträge waren zwar da, aber für einen Teil der Bürgerinnen und Bürger offensichtlich nicht transparent und verständlich genug. Dies hätte ich besser machen müssen. Inwieweit nun die Erhebung der Beiträge rechtmäßig sind, das wird das Bundesverfassungsgericht bis Ende Mai der Landesregierung in Mainz als Gesetzgeber mitteilen.
Warum benötigt Winden aus Ihrer Sicht ein Gewerbegebiet? Wäre es nicht wichtiger, zum Beispiel den Tourismus voranzubringen?
Linscheid: Um ein Mosaikbild zu erhalten, benötige ich viele einzelne Mosaiksteine. So ist es auch mit einer Ortsgemeinde. Will eine Ortsgemeinde attraktiv sein, so muss sie unterschiedlichen Personengruppen ein Angebot machen können. Sind Bürgerinnen und Bürger auf Kinderbetreuung angewiesen, so sind der Erhalt und die Weiterentwicklung einer Kinderbetreuung für die Ortsgemeinde wichtig. Wenn Menschen eine höhere Lebenserwartung haben, so hat die Ortsgemeinde den Focus auf die veränderte demographische Situation zu legen. Gibt es Menschen, die eine Selbstständigkeit anstreben oder eine Firma besitzen und ihr Gewerbe in Winden ausüben, so hat die Ortsgemeinde zu prüfen, ob es Möglichkeiten gibt, dies zu verwirklichen. So ist es auch mit dem Tourismus.
Die Ortsgemeinde hat drei Veranstaltungen zu diesem Thema im Rahmen der Dorfmoderation veranstaltet. Die Resonanz der Beteiligung war mehr als dürftig. Unsere Natur, die gute Luft, die herrlichen Wanderwege, die kurzen Wege zum Rhein, an die Lahn, nach Koblenz oder Montabaur sind gute Gründe um einen Urlaub in Winden zu verbringen. Haben Bürgerinnen und Bürger konkrete Vorstellungen und Ideen, wie Tourismus von der Infrastruktur und Umsetzung in Winden verwirklicht werden könnte, so werden sie die Unterstützung vom Gemeinderat und mir erhalten.
Aber bisher blieben alle Forderungen nach Ausbau des Tourismus als Gegengewicht zum Gewerbegebiet Lippenbekenntnisse. Nur zu fordern, ohne etwas zu tun ist, ist in meinen Augen einfach zu wenig!
Der zukünftige Gemeinderat und der Ortsbürgermeister sind immer wieder aufgefordert, nach neuen bunten Mosaiken zu suchen, um das Bild „Winden“ weiter zu gestalten.
Ein Problem ist die zurückgehende Zahl der Einwohner. Was kann die Ortsgemeinde dagegen tun?
Linscheid: Die Ortsgemeinde Winden muss versuchen, die jungen Menschen zu bewegen im Heimatort zu bleiben. Die Ortsgemeinde Winden muss im Gespräch bleiben. Diese Möglichkeit hat die Ortsgemeinde durch Öffentlichkeitsarbeit, durch Beteiligungen an Wettbewerben, durch kreative Ideen. Diese Maßnahmen und Handlungen müssen dazu führen, dass Menschen von außen neugierig werden und sagen, diesen Ort schauen wir uns an. Dies wird eine Schwerpunktarbeit meiner Arbeit in den nächsten fünf Jahren sein, sollte ich wiedergewählt werden.
In vielen Dörfern steht eine wachsende Zahl von Gebäude leer. Wie sieht es damit in Winden aus?
Linscheid: Unser Leerstand liegt bei vier bis fünf Gebäuden. Dazu zählen zwei für die Dorfgestaltung wichtige Objekte, die Burg und die ehemalige Gaststätte Drehpunkt. Diese Immobilien sind auch von Seiten der Ortsgemeinde wichtige Objekte. Hier besteht aus meiner Sicht dringender Handlungsbedarf.
Wie zufrieden sind Sie mit dem bürgerschaftlichen Engagement in der Gemeinde?
Linscheid: Ich bin stolz auf die vielen ehrenamtlichen Bürgerinnen und Bürger in unserer Gemeinde. Die Vielfalt der Vereine macht Winden aus. Welche Ortsgemeinde hat einen TSC mit fast 70 Kindern und Jugendlichen? Oder wo gibt es zwei Vereine, die sich um russische Kinder aus Tschernobyl kümmern? Unsere Jugendfeuerwehr, eine der ersten in der VG Nassau, ist schon 20 Jahre alt. Bitte schauen Sie sich den Gesangverein an, wie dieser seit 125 Jahren das Liedgut pflegt.
Die Schützen, die jetzt das Projekt Bogenstand in die Hand nehmen. Die Feuerwehreinheit Winden, verlässlich und einsatzbereit auch an Silvester. Der Frauen- und Seniorenverein mit seinem festen Veranstaltungskalender. Der Tennisverein mit seiner sehenswerten Tennisanlage sowie einer tollen Jugendarbeit. Der Bürgerverein hat sein Potenzial noch nicht ausgeschöpft und deckt Bereiche wie Naturschutz, Unterstützung der Senioren, Kinder und Jugendliche ab. Es fehlen in meiner Aufzählung der Förderverein der Feuerwehr und der Sportverein. Zusammen über 500 Mitglieder und 190 Jahre Vereinsleben. Die Kirchenvorstände, die Schola, das Seniorenturnen, die Schinkenmafia, die Steckenpferde tragen mit ihren Veranstaltungen und Unternehmungen zu einem lebenswerten Winden bei. All dies macht Winden auch aus. Und ist ein prägendes Mosaik vom Gesamtbild „Winden“.
Seit zehn Jahren sind Sie Ortsbürgermeister. Haben Sie immer noch Freude an dem Amt, das ja einen erheblichen Zeitaufwand erfordert und mit dem man sich nicht nur Freunde macht?
Linscheid: Es macht mir Freude zu sehen, was wir gemeinsam erreicht haben. Mich haben viele Menschen aus Winden unterstützt. Besonderer Dank geht an meine Frau Rita, meine gesamte Familie, meinem 1. Beigeordenten Heinz-Jürgen, dem Gemeinderat sowie meinen Freunden und Bekannten, die mich aus persönlich unterstützt und beraten haben.
Warum kandidieren Sie für eine weitere Amtsperiode und was möchten Sie erreichen?
Linscheid: Ich möchte gerne die angefangenen strittigen oder unstrittigen Projekte mit dem neu gewählten Gemeinderat gemeinsam umsetzen und erfolgreich für die Einwohner von Winden zu Ende bringen.
Folgende Aspekte und Themen stehen für mich persönlich im Focus:
– Innerörtliche Flurbereinigung beenden
– Satzung und Bebauungsplan des Gewebegebietes zur Rechtskraft bringen
– Erhalt und Ausbau der Kita Winden
– Intensivere überörtliche Zusammenarbeit mit Hömberg, Zimmerschied und Hübingen
– Ein weiterer Workshop unter dem Thema: Welche Erwartungen haben die Bewohner von Winden an ihren Ortsbürgermeister sowie an den gewählten Gemeinderat?
– Anstricharbeiten am Bürgerhaus
– Sanierungsarbeiten am Friedhof
– Weiterer finanzierbarer Ausbau der Dorfstraßen
– Mitsprache bei der bis 2019 geplanten Entscheidung über die weitere Struktur der Verbandsgemeinde Nassau
– Altersgerechtes Wohnen in Winden. Wie kann das aussehen?
– Gemeinschaft und Vertrauen möchte ich stärken
– Ansprechpartner bleiben und sein
– Die Beförsterung im Windener Wald
Eine Reihe von Projekten hat die Gemeinde auch viel Geld gekostet. Wie ist die finanzielle Lage der Ortsgemeinde?
Linscheid: Der Schuldenstand der Ortsgemeinde beträgt zum 31. Dezember 2014 voraussichtlich 414.000 Euro. Diese Schulden sind entstanden durch die durchgeführten Infrastrukturmaßnahmen
der letzten fünf Jahre:
– Bereitstellung DSL 50 MBit 66.000 €
– Abriss Häuser in der Hauptstraße 15+16 40.000 €
– Zuschuss für den Betrieb Dorfladen +Ausbau 60.000 €
– Straßenausbau 200.000 €
– Dorfcafé 70.000 €
– Grundstückskäufe 10.000 €
– Abzüglich der noch ausstehenden Forderungen von 150.000 € aus den wiederkehrenden Beiträgen.
Ohne die Investitionen durch die Gemeinde hätte das Land Rheinland-Pfalz nicht in den letzten fünf Jahren 74.000 Euro für private Förderung in die Dorferneuerung bewilligt. Außerdem erhielt die Ortsgemeinde Winden 448.000 Euro als Zuschüsse für ihre Investitionen. Ziel von mir ist es, die verbleibenden Schulden von 264.000 € zum 1. Januar 2016 (dann sind alle Ausbaubeiträge eingezahlt) bis zum Ende meiner Wahlperiode zu halbieren, ohne dabei notwendige Investitionen außer Acht zu lassen.
Herr Linscheid, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.