Gewerbegebiet Lohberg ist umstritten
Auf reges Interesse stieß die Bürgerversammlung zum Thema Gewerbegebiet Lohberg im Windener Pfarrheim. Rund 100 Bürgerinnen und Bürger wollten sich aus erster Hand über das nach wie vor kontrovers diskutierte Planungsvorhaben der Ortsgemeinde Winden informieren. Den Fragen der Bürger standen Ortsbürgermeister Gebhard Linscheid und der Entwurfsplaner, Professor Matthias Uhle, der selbst Mitglied des Ortsgemeinderats ist, Rede und Antwort.
Das rund zwei Hektar große Kleingewerbegebiet „Lohberg“ gehört zur einer mehr als 20 Punkte umfassenden politischen Angenda, die der Ortsgemeinderat nach der Kommunalwahl 2009 aufgestellt hat, erläuterte Linscheid. Während Ziele wie die bessere DSL-Versorgung Windens, zwischenzeitlich erreicht worden seien, habe der Gemeinderat das Thema Gewerbegebiet aufgegriffen, als ein Windener Bürger vor knapp einem Jahr einen Antrag auf einen „vorhabenbezogenen Bebauungsplan“ für eine Gewerbeansiedlung gestellt habe. Er habe die Gemeinde gebeten, zu prüfen, ob es die Möglichkeit gebe, ein Gewerbegebiet in Eigenentwicklung zu planen, so Linscheid.
Aus Sicht des Gemeinderats hätte eine Gewerbeansiedlung in Winden — bisher haben zwei Unternehmen Interesse gezeigt — mehrere Vorteile: Die Ortsgemeinde würde Gewerbesteuern einnehmen und könnte damit dem laufenden Rückgang der Steuereinnahmen entgegenwirken. Außerdem könnten Arbeitsplätze im Ort entstehen, so dass junge Familien in Winden eine Zukunft hätten. Linscheid betonte aber auch, dass ein Gewerbegebiet nicht stören dürfe und die schöne Landschaft erhalten bleiben müsse. Der Standort Lohberg erfülle aus Sicht des Gemeinderats diese Bedingungen, sagte der Ortschef.
Prof. Uhle erläuterte den anwesenden Bürgern anschließend das Planungsvorhaben, an dem jeder Bürger mit eigenen Anregungen oder Bedenken mitwirken könne. Eingaben seien an die Ortsgemeinde Winden oder die Verbandsgemeindeverwaltung in Nassau zu richten. Im weiteren Verfahren, so Uhle, seien auch die Behörden zu beteiligen, anschließend werde es eine weitere Bürgerbeteiligung geben. Parallel zur Bauleitplanung müsse auch der Flächennutzungsplan geändert werden. Die Stellungnahmen von Bürgern und Behörden würden vom Ortsgemeinderat abgewogen.
Laut Uhle gibt es in dem für das Gewerbegebiet vorgesehen Standort Lohberg mehrere Problembereiche, die es zu behandeln gelte:
1. Das Gebiet liegt in der Schutzzone III des Trinkwasserschutzgebiets. Dies könnte ein Bodengutachten notwendig machen.
2. Der Lohberg liegt in der Kernzone des Naturparks Nassau.
3. Der Immissionsschutz ist zu beachten. Deshalb sei angedacht worden, zwischen Gewerbe- und Wochenendhausgebiet eine Schutzzone als Puffer auszuweisen, sei es eine Grünfläche, eine Mischgebietsfläche oder eine Wohnhauszeile.
4. Die Kosten: Derzeit gebe es zwei Planungsvarianten: mit und ohne Erschließungsstraße.
Die nachfolgende Diskussions- und Fragrunde zeigte, dass es Zustimmung, aber auch zum Teil erhebliche Bedenken gegen das Planungsvorhaben gibt.
Ralph Thomas Meyer fragte, ob der Eingriff in den Wald naturschutzrechtlich auch wieder im Wald ausgeglichen werden müssen und ob das in Winden möglich sei. Uhle erklärte, dass die Eingriffsfläche mit 1,7 Hektar ermittelt worden sei. Aufschluss über notwendige Ausgleichsmaßnahmen soll ein landespflegerischer Begleitplan ergeben, den die Ortsgemeinde bereits in Auftrag gegeben habe. Förster Bernd Schendel ergänzte, dass etwa 80 Prozent der Windener Gemarkungsfläche Wald sei. Neben einer Aufforstung komme deshalb auch eine Freihaltungsmaßnahme in Betracht.
Auf eine Frage von Markus Falterbaum erklärte Ortsbürgermeister Linscheid, dass das Gewerbegebiet nur für die Niederlassung von Windener Unternehmen zugelassen würde. Laut Uhle ist dies auch eine Vorgabe der übergeordneten Raumentwicklungspläne. Die Wasserversorgung soll mithilfe eines Wasserverbunds sichergestellt werden.
Jochen Strankmann meinte, dass die Ausweisung des Lohberg als Wasserschutzzone III eine Gewerbeansiedlung ausschließt. Außerdem befürchtet er Gefahren im Straßenverkehr, weil von Grundstückszufahrten oder der Erschließungsstraße schlecht in die vorhandene Straße einzusehen wäre. Uhle sagte, dass Bauen im Schutzgebiet sei nicht grundsätzlich verboten, allerdings könnte die zuständige Fachbehörde beispielsweise verbieten könnte, dass Heizöl dort gelagert wird. Auch die Errichtung von Kellern könnte ausscheiden. Und für die Lagerung chemischer Materialien könnte es besondere Vorschriften geben. Ein bereits angefordertes Gutachten soll nun nachweisen, dass das Gewerbegebiet dem Schutzziel nicht entgegenwirkt. Hinsichtlich der Einsehbarkeit sah Uhle keine Probleme, weil das Gewerbegebiet zur Ortslage gehören wird.
Wolfgang Siepe-Noll sprach die wachsende Flächenversiegelung an und fragte nach der Abwasserentsorgung. Laut Uhle müssten die Betriebe Abwasserhebeanlagen einbauen, da das Schmutzwasser nicht im freien Gefälle in die Kanalisation geleitet werden könne. Das Niederschlagswasser solle auf den Grundstücken oder auf Folgegrundstücken großflächig versickern. Die nachfolgende Waldfläche nördlich des Gewerbegebietes sei hierfür geeignet und befinde sich in öffentlicher Hand.
Jan-Peter Linscheid konnte nicht verstehen, warum Bürger gegen das Gewerbegebiet sind. Er verwies auf den demographischen Wandel, weshalb etwas zur Stärkung der jüngeren Generation getan werden müsse.
Auf eine Nachfrage von Bettina Krauß sagte Uhle, dass Planung und Erschließung des Gewerbegebietes für die Ortsgemeinde kostenneutral bleiben soll. Gewerbesubventionierung sei nicht geplant.
Bernhard Mielewczik sorgte sich um die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung: Deren Kosten könnten derzeit noch nicht überblickt werden. Uhle teilte die Bedenken, meinte aber, das zunächst die Fachbehörden und Träger öffentlicher Belange gehört werden müssten. Dies gelte auch für den Brandschutz. Wegen der möglichen hohen Kosten gebe es zudem die erwähnte Sparvariante.
Kritisch sah Regine Reisinger das Gewerbegebiet. Sie wollte wissen, ob die Gemeinde mit mehr Steuereinnahmen rechnet, der Riesenaufwand sich überhaupt lohnt und was die Jugend davon hat. Ortsbürgermeister Linscheid sagte, dass die Steuereinnahmen sich wohl nicht sofort merklich erhöhen würden. Allerdings bestehe die Chance, Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu erhalten. Uhle meinte, dass laut einem Fachgespräch in Katzenelnbogen zum Thema „Entwicklung des ländlichen Raumes“ Bewegungen erforderlich seien, wenn auch in kleinen Schritten.
Bettina Krauß hielt ein Gewerbegebiet in Winden für unnötig. Von acht Windener Gewerbetreibenden hätten sieben lediglich ein Büro und bräuchten daher keine Halle. Ortschef Linscheid entgegnet, dass Winden schon seit vielen Jahren ein Gewerbegebiet brauche.
Thomas Rosendahl fand es zwar richtig, Chancen zu nutzen, allerdings lägen in anderen Orten Gewerbegebiete brach. Auch könnte ein Lärmschutzwall erforderlich werden, und die Kosten seien unklar. Linscheid erklärte, dass der Gemeinderat eine weitere Entwicklung der Ortsgemeinde für notwendig erachte. Die Kosten der Bauleitplanung übernehme die Ortsgemeinde.
Achim Mertlich meinte, die Gemeinde dürfen nicht tatenlos zusehen, wie die Einwohnerzahlen ständig zurückgehen. Natürlich bringe ein Gewerbegebiet Vor- und Nachteile, allerdings erwarte er Arbeits- und Ausbildungsplätze und gegebenenfalls eine bessere Busverbindung in den Westerwald. Dr. Erika Noll vermisste eine Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen des geplanten Gewerbegebiets. Prof. Uhle verwies auf die in Auftrag gegebenen Gutachten, deren Ergebnisse noch abgewartet werden müssten.
Wolfgang Siepe-Noll meinte, die Ortsgemeinde müsste die Planungs- und Erschließungskosten vorausleisten. Linscheid bestätigte, dass der Gemeinde Kosten entstehen könnten, sollten Grundstücke nicht verkauft werden. Nicht auszuschließen sei ferner, dass eine Firma auswärtiges Personal beschäftige. Bei allen Fragen müsse vom Stand heute ausgegangen werden. Wie die Entwicklung in zehn Jahren aussieht, könne heute niemand wissen.
Juli 11th, 2013 at 8:44 pm
Ich kann mich nur dem Einwand von Dr. Erika Noll anschließen:
„Dr. Erika Noll vermisste eine Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen des geplanten Gewerbegebiets. Prof. Uhle verwies auf die in Auftrag gegebenen Gutachten, deren Ergebnisse noch abgewartet werden müssten.“
Es gibt viele berechtigte Einwände für oder gegen ein Gewerbegebiet. Argumente werden wiederholt ausgetauscht, siehe diesen Beitrag im Internet, aber es gibt bisher immer noch keine veröffentlichte Liste mit der Gegenüberstellung von Ein-/Ausgaben oder Nutzen/Schaden für Winden und die Einwohner. Viele interessierte Einwohner wollen da nicht auf irgendwelche in Auftrag gegebene Gutachten (welche?) warten, sondern einfach nur wissen, was bis jetzt schon bekannt ist. Gibt es ein Problem, die bisher vorliegenden Erkenntnisse zu veröffentlichen?
Der Gemeinderat ist hiermit aufgefordert, eine solche Gegenüberstellung zu veröffentlichen, damit sich die Einwohner eine fundierte Meinung bilden können und nicht auf Spekulationen angewiesen sind.
Juli 13th, 2013 at 10:07 pm
Nur zu gerne wiederhole ich mich, was bisher geschehen ist.
Es wurden derzeit vier Arbeitsaufträge an Büros oder Gutachter erteilt.
Es ist ein Lärmschutzgutachten, ein Gutachten über das Vorkommen von Fledermäusen in Auftrag gegeben worden.
Zudem erhielten ein Landschaftsplaner und Planer den Bebauungsplan sowie den Flächennutzungsplan zu erstellen.
Diese sowie ein weiteres Gutachten zur Bodenbeschaffenheit sind notwendig um die Planungen in ein Stadium zu führen, das Behörden entsprechend ihre Aussagen treffen können und ihre Stellungnahme zum betreffenden Gewerbegebiet abgeben können.
Diese Kosten wird die Ortsgemeinde tragen müssen, um zu wissen, ob ein Gewerbegebiet überhaupt entstehen kann.
Diese Vorgehensweise ist die gleiche wie bei einer Erschließung eines Wohngebietes.
Auch hier hat die Ortsgemeinde bisher immer die Kosten übernommen und den Vorteil der Planung hatten dann die Grundstückbesitzer, der jeweiligen Grundstücke.
Den Nutzen für Winden habe ich aus meiner Sicht schon mehrmals zum Ausdruck gebracht und das Pro und Contra auch für mich abgewogen. Dies hat auch jedes Gemeinderatsmitglied getan. Auch hier hat jeder Mensch andere Schwerpunkte.
Deshalb wurde nun auch diese Fläche aus den vier ausgewählten Flächen zur näheren Prüfung durch den Gemeinderat einstimmig ins Auge gefasst um die vermeintlich negativen Einflüsse auf das Wohnen in Winden zu vermeiden.
Der Gemeinderat und dessen Ortsbürgermeister werden die Bürgerinnen und Bürger bei allen neuen Ereignissen informieren.
Juli 14th, 2013 at 1:21 pm
Richtigstellung meiner Aussage zur Gemeindeveranstaltung vom 01.07.2013:
Ich sorge mich nicht um die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung, sondern:
Meine Aussage war: „Die erforderlichen Kostenaufwendungen zur Ver- und Entsorgung des Gewerbegebietes werden sehr hoch sein“, weil
a) Trinkwasser /Löschwasser
Nach den geltenden Vorschriften müssen für Löschwasser in Gewerbegebieten, je nach Nutzung 96m³/h bzw. 192m³/h über 2 Stunden zur Verfügung stehen. Werden diese Mengen aus dem Trinkwassernetz bereitgestellt, müßten sehr kostenaufwendig neue Trinkwasserleitungen größeren Querschnittes in und nach Winden bis zur Pumpstation verlegt werden.
Die Pumpstation müßte ebenfalls sehr kostenaufwendig erneuert werden und zwar auf den heutigen Trinkwasserbedarf zusätzlich der vorgenannten Löschwassermengen.
Der heutige Trinkwasserbedarf ist wesentlich geringer.
b) Schmutzwasser
Um das Gewerbegebiet an das öffentliche Netz anschließen zu können, ist eine Fäkalienhebeanlage erforderlich und ein zusätzliches Bauwerk, um die Abwasser druckfrei in den öffentlichen Kanal leiten zu können. Die vorhandenen Kanalquerschnitte der öffentlichen Entwässerungskanäle dürften nicht ausreichend sein. Es müssen also ergänzend Kanäle verlegt bzw. vorhandene Kanäle ausgetauscht werden. Die Aussage von Seiten der Gemeinde man könne eventuell auf die innere Erschließung des Gebietes verzichten (z.B. Gewerbetreibende ihre eigene Fäkalienhebeanlage betreiben zu lassen), halte ich für sehr fragwürdig, zumal auch dann ein Kanalbauwerk und neue Kanäle ebenfalls erforderlich wären.
Unterm Strich heißt das, daß die sich ergebenden Grundstückspreise weit über dem liegen dürften, was für einen Gewerbetreibenden interessant ist. Die andere Möglichkeit ist: Die Kosten werden uns allen, die an die Verbandsgemeinde Steuern, Kosten für Trinkwasser und Entwässerung bezahlen, zusätzlich belastet.
Juli 16th, 2013 at 11:35 am
ohhhh mein Gott….langsam muß es doch schon weh tun…
Juli 18th, 2013 at 3:52 pm
„Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
Curt Goetz
Wenn man sich mal rein objektiv die Kommentare durchliest, stelle ich fest, dass sich 90% der lautstarken Personen noch nichtmal aktiv am Dorfleben beteiligen. Jedoch, wenn man etwas verändern will – Zukunft schaffen – werden sie lautstark! So etwas zeugt von Armut.
Zu einem Kommentar wärend der Info-Veranstaltung: Es tut mir leid, dass ich Geselle im Tischlerhandwerk bin und mehr benötige als ein Büro, um Geld zu verdienen!
Juli 19th, 2013 at 12:09 am
Ball flach halten. Ob das Gewerbegebiet ein erfolgversprechendes Projekt wird hängt in erster Linie davon ab, welche Kosten entstehen und ob mögliche Interessenten bereit sind, diese zu tragen.
Die Gemeinde Winden hat bereits einen schönen Defezitbetrag erwirtschaftet, da bedarf es einer gründlichen Prüfung, bevor ein solches Großprojekt umgesetzt wird.
Ich finde es schon lachhaft, wenn behauptet wird, unsere Gemeine hätte keine Zukunft und dies nun am Gewerbegebiet hängen soll.
Hallo – wir haben DSL
wir haben eine Grundversorgung im Ort
wir haben ein Dorfcafé
wir haben einen Kindergarten
Projekte, die Geld gekostet haben und zum Teil weiterhin kosten.
Die Lebensqualität im Dorf wurde jedoch deutlich verbessert.
Durch die Erschließung eines Gewerbegebietes sehe ich keine Verbesserung der Lebensqualität auch eine bessere Anbindung ans öffentliche Verkehrsnetz halte ich für unrealistisch.Was spricht also fürs
Gewerbegebiet, sind es die Einnahmen durch die Gewerbesteuer?
Neue Arbeitsplätze? Bei der Anzahl von Bestimmungen, die eingehalten werden muss, dürfte die Nachfrage doch recht überschaubar bleiben, erst recht da nur ortsansässige Gewerbe zum Zuge kommen sollen. Diese Tatsachen dürften sich auf die Grundstücksverkaufserlöse negativ bemerkbar machen. Bin gespannt, welche Erkenntnisse die Gutachten bringen, gekostet haben sie ja schon mal einiges.
Dezember 8th, 2013 at 6:27 pm
Entgegen der ursprünglichen Zusage, dass das Gewerbegebiet die Bürger von Winden nichts kosten wird, lautete die letzte Einlassung von Herrn Prof. Uhle auf der Verbandsgemeinderatssitzung am 5.12.13, dass die Gewerbetreibenden an den Kosten „beteiligt“ werden. Und wer trägt den Rest?
Die Kosten werden auf jeden Fall die Möglichkeit der Gewerbetreibenden übersteigen, wenn sich für die das Ganze noch rechnen soll, aber gleichzeitig kommen unweigerlich Kosten auf die jetzigen Eigentümer, alle Windener Bürger, zu. Und das alles, ohne dass klar ist, ob sich wirklich ein Gewerbetreibender diesen ganzen Auflagen unterziehen wird.
Und jetzt? Reichen nicht 435.000 Euro Schulden, davon allein 375.000 Euro aus den letzten 4 Jahren?