„Dorfcafé stärkt das soziale Netzwerk in Winden“
Der Aufbau eines Dorfcafés wird das soziale Miteinander in Winden nachhaltig stärken. Davon ist Ortsbürgermeister Gebhard Linscheid überzeugt. Im Interview unterstrich er die Bedeutung des bereits angelaufenen Umbaus des alten Gebäudes im Ortskern zum Dorfcafé nachdrücklich. Um die bevorstehende Dorferneuerung zum Erfolg zu führen, sei aber auch ein Engagement der Bürger wichtig. „Ohne die Bürgerbeteiligung lebt die Dorferneuerung nicht.“ Linscheid verteidigte in unserer Reihe „Windener Dorfgespräche“ noch einmal die jüngsten Entscheidungen über die Erhebung wiederkehrender Beiträge für den Straßenausbau und stellte seine Vision von Winden im Jahr 2015 vor. Lesen Sie das Interview mit Gebhard Linscheid hier im Wortlaut.
Die Erhebung wiederkehrender Beiträge für den Straßenausbau hat großen Wirbel in der Gemeinde verursacht, möglicherweise kommt es zu Widersprüchen, vielleicht sogar zu Rechtsstreitigkeiten. War die neue Straßenausbausatzung diesen Ärger eigentlich wert?
Gebhard Linscheid: Jede Entscheidung, die durch den Gemeinderat in einem Ort getroffen wird, findet Befürwortung und Ablehnung. Die Entscheidung, den Straßenausbau mit wiederkehrenden Beiträgen zu finanzieren, hat die Emotionen und Diskussionen hohe Wellen schlagen lassen. Dass dies so werden würde, war allen Entscheidungsträgern bewusst, da es um den Geldbeutel der Einwohnerinnen und Einwohner von Winden geht. Die Diskussionen sind wichtig und richtig. Und ich gehe keiner Diskussion aus dem Wege, wenn sie sachlich und ehrlich geführt wird. Nur wenn persönliche Dinge mit der sachlichen Diskussion vermischt werden, ärgert mich das. Aber auch dies müssen ein Ortsbürgermeister sowie die Entscheidungsträger aushalten können. Insbesondere dann, wenn diese von der Richtigkeit ihrer Entscheidung überzeugt sind.
Jeder Bürger hat auch das Recht, einen Widerspruch einzulegen, wenn er der Meinung ist, dass er sich im Recht befindet. Auch dies ist ein normaler Vorgang in der heutigen Zeit.
Die Windener Straßen befinden sich in einem ähnlichen Zustand wie Dorfstraßen anderer Gemeinden. Warum drückt der Gemeinderat hier dennoch so sehr aufs Tempo?
Gebhard Linscheid: Der Gemeinderat geht in seinen Entscheidungen immer zielgerichtet und ohne Zeitdruck eine Entscheidung an. Dies ist auch an der Entwicklung des Straßenausbaus zu sehen. Im Jahr 2006 wurde der Straßennutzungplan mit dem Landesamt für Mobilität zusammen besprochen und abgesegnet. Im Jahr 2008 wurden alle Straßen des Ortes bewertet, und aus den Bewertungen ging dann ein Straßenausbaukonzept hervor. Dies ist eine Auflistung der Ortsstraßen mit einer Prioritätenliste und den Kosten des Ausbaus. So ein Straßenausbaukonzept haben bis heute wenige Gemeinden des Rhein-Lahn-Kreis. Dieses Straßenausbaukonzept wurde dem Gemeinderat im September und Oktober 2008 vorgestellt und auch zur Kenntnis genommen. Jetzt wusste der Gemeinderat, welche Finanzmittel mittel- bis langfristige für den Straßenausbau notwendig sind und welche Schadbilder die einzelnen Straßen aufweisen.
In Zusammenarbeit mit den Werken der Verbandsgemeinde wurde und wird zukünftig abgestimmt, welche Schadklasse im Kanalbereich vorliegt. Damit Ober- und Unterirdisch eine Sanierung sinnvoll ausgeführt werden kann.
Das Straßenausbaukonzept ist ein Anhalt für die Entscheidungen zum weiteren Ausbau der Ortsstraßen, doch kein Dogma. Denn die Finanzkraft der Gemeinde in den kommenden Jahren und eine unvorhergesehene Veränderung der Straßen- oder Kanalnetztes können eine Abweichung vom Konzept notwendig machen.
Nun hat man mit der Triftstraße sowie mit der Straße „Am alten Wasserhaus“ begonnen, weil hier die Beurteilungskriterien die höchste Notwendigkeit des Ausbaus vorgaben.
Die Ausbaupläne wurden im November 2009 öffentlich vorgelegt und mit den Anliegern besprochen, und danach hat der Gemeinderat den Ausbau der beiden Straßen beschlossen. Zuschussänträge auf den Gemeindeanteil aus Landes- und Bundesmittel wurden beantragt und sind zugesagt. Insgesamt in einer Höhe von fast 210.000 Euro.
Wenn alles funktioniert, wird die Ausschreibung im September erfolgen, so dass mit einem Baubeginn am 1. Dezember 2010 zu rechnen ist.
Vier Jahre von der Planung bis zur Umsetzung sind vernünftige Zeiträume, in denen Entscheidungen ohne Hektik getroffen werden können.
Für die anstehende Dorferneuerung benötigt die Gemeinde eine breite Unterstützung der Bürgerschaft. Ist diese aus Ihrer Sicht jetzt noch gegeben?
Gebhard Linscheid: Ja.
Die Dorferneuerung ist ein wichtiger Baustein für die Zukunft von Winden. Jeder der Bürgerinnen und Bürger ist eingeladen, an dieser Zukunft mitzuwirken.
Mit der Aufnahme der Ortsgemeinde Winden in das Landesprogramm „Schwerpunktgemeinde der Dorferneuerung“ haben Sie sich viel vorgenommen. Warum muss Winden eigentlich erneuert werden? Lebensqualität bietet der Ort doch heute schon.
Gebhard Linscheid: Das freut mich, dass Sie unseren schönen und lebensfrohen Ort Winden so sehen wie ich.
Im Rahmen der Schwerpunktgemeinde in der der Dorferneuerung ist ein Schwerpunkt die Dorfmoderation. In dieser Dorfmoderation sind die Stärken unsere Gemeinde Winden zu erarbeiten und das, was Winden eigentlich für die Bürgerinnen und Bürger einmalig macht.
Welches sind die Stärken und Schwächen von Winden; wo sehen Sie den meisten Handlungsbedarf?
Gebhard Linscheid: Stärken: die Menschen von Winden, die reizvolle Landschaft, der Kindergarten, die Anzahl an unterschiedlichen Vereinen, die wunderbare Luft besonders jetzt im heißen Sommer, viele Freizeitmöglichkeiten, die kurzen Verbindungswege zum ICE Bahnhof Montabaur
Schwächen: nur wenig Tagestourismus, fehlende Infrastruktur, wie zum Beispiel Gastwirtschaft mit gut bürgerlichem Mittags- oder Abendtisch, zu wenig kulturelle Veranstaltung, zu wenig Arbeitsplätze vor Ort.
Gibt es bereits konkrete Vorhaben für die Dorferneuerung?
Gebhard Linscheid: Ja. Diese sind Aufbau eines Dorfcafés, Umbau und Neugestaltung des Dorfplatzes an der Kirche, Sanierungsmaßnahmen an der alten Schule, Umgestaltung der Wasserentnahme an dem Brunnen in der Schulstraße. Eine weitere Aufzählung geht auf Vorschläge aus der gemeinsamen Beratung mit den bisherigen Arbeitskreisen und des Rates vom 23.07.2009 zurück. Nunmehr nehmen die der Einladung gefolgten Mitglieder der Arbeitskreise „Bauen und Umwelt“ sowie „Infrastruktur“ an der Sitzung teil.
Die nachfolgenden Aufzeichnungen geben nicht die „wörtliche Rede“ der einzelnen Beiträge wieder, sondern zeigen summarisch die angesprochenen Projektwünsche – ohne Wertigkeit und Priorität – in Listenform auf.
- DSL in höheren Übertragungsraten
- Leben und wohnen, wie sich die Bevölkerung von Winden sich das wünscht
- Bessere Lebensbedingungen
- Berücksichtigung des demographischen Wandels
- Motivationen zu Privatmaßnahmen der Ortsverschönerung
- Erstellung eines Handlungsprogramms
- Verbesserung des öffentlichen Personen-Nahverkehrs
- Dorfplatzaufwertung
- Realisierung des Straßenausbaukonzepts
- Fortbestand des Dorfladens und der Dorfkneipe sichern
- Informationen und Nutzung des Leerstandskatasters und der Leerstandsbörse
- Kümmern um ungepflegte Anwesen
- Schaffung einer Neubürgerbroschüre
- Kleines Gewerbegebiet für Winden
- Anschaffung von Wandertafeln und Straßenübersicht für unseren Ort
- Pflege des Außenbereichs
- Angebot einer EDV-Schulung
- Vorträge im medizinischen Bereich
- Anregung des Tourismus (Ferienwohnungen)
- Spielleitplanung
- Sorge um eine stabile Bevölkerungsentwicklung
- Unterstützung der Milchviehwirtschaft
- Schaffung funktionierender Informationssysteme
- Vierteljährliche dörfliche schriftliche Information mit Schwerpunktthema
- Informationen über die bestehende Familienförderung im Rahmen von Baugrundstücken und Immobilen verstärken. ( Info an Makler und Banken)
- Aushang- und Infokasten im Dorfladen
- überörtliche Werbemaßnahmen für Winden Motto „ Winden ist lebenswert und liebenswert“
Dies sind Vorschläge und keine festgelegten Projekte. Sollten sich wichtigere Projekte in der Dorfmoderation ergeben, sind diese in den nächsten fünf Jahren umzusetzen.
Wann beginnt die Erstellung des Dorfentwicklungskonzeptes?
Gebhard Linscheid: Wie bereits erwähnt, sind in der Anerkennung zur Schwerpunktgemeinde zwei Schwerpunkte zu setzten: zum einen die Dorfmoderation und dann die Fortschreibung des Dorferneuerungskonzepts. Nach Abschluss der Moderation fließen die Vorschläge der verschieden Arbeitskreise in das Dorferneuerungskonzepts ein. Das Dorferneuerungskonzept ist eine Umsetzungshilfe für die kommenden Entscheidungsträger im Gemeinderat und deren Ausschüsse. Bis Ende 2011 kann das neue und fortgeschriebene Dorferneuerungskonzept stehen.
Ist die Dorferneuerung ausschließlich Sache der Ortsgemeinde oder werden die Bürger daran beteiligt?
Gebhard Linscheid: Die Bürgerinnen und Bürger sind die Hauptakteure. Die Ortsgemeinde ist nur der Initiator. Ohne die Bürgerbeteiligung lebt die Dorferneuerung nicht.
Wie sieht die finanzielle Seite der Dorferneuerung aus, und könne auch Privatleute von den Förderprogrammen profitieren?
Gebhard Linscheid: Viele Eigentümer einer Immobile im Dorfkern haben bereits einen Zuschuss für die Renovierung, Sanierung Umbau oder auch Neubau aus den Finanzmittel der Dorferneuerung erhalten. In diesem Jahr waren es ungefähr 35.000 Euro die Privatpersonen erhalten haben.
Wer also als Privatmann sein Haus im Ortskern renovieren, umbauen oder sanieren will, soll bitte vorher mit mir darüber sprechen, damit keine Fördermittel verlorengehen. Auch die Gemeinde selbst hat ein Förderprogramm aufgelegt seit 2008. Wichtig hierzu auch: Die Erstberatungskosten für eine Machbarkeitsstudie oder einer Erstellung einer Planskizze werden erstattet. Auch ein dritter Bestandteil in der Schwerpunktgemeinde.
Auf wie viele Jahre ist die Dorferneuerung eigentlich angelegt?
Gebhard Linscheid: Sechs Jahre ist Winden Schwerpunktgemeinde. Vom April 2010 bis zum April 2016.
Der Aufbau eines Dorfladens dürfte in der Bevölkerung weitgehend unumstritten sein. Doch am laufenden Umbau des Nachbargebäudes zum Internetcafé gibt es Kritik. Warum benötigt Winden eigentlich eine solche Einrichtung?
Gebhard Linscheid: Der Dorfladen wird als gute Einrichtung angesehen, und viele Einwohnerinnen und Einwohner kaufen dort ein und unterstützten die Bemühungen der Gemeinde. Doch nicht alle sehen es ein, wie wichtig eine Grundversorgung für die Gemeinde Winden für die Zukunft ist. Es gilt der Spruch: Wer heute nicht in unserem Dorfladen einkauft, wird morgen keinen Dorfladen mehr haben.
Um auch die Attraktivität von Winden weiter zu stärken, gehört ein Dorfcafé nach Ansicht des Ortsgemeinderates dazu. Durch die Einrichtung des Dorfladens wurde der Ortskern wieder belebt. Mit dem Dorfcafé wird das soziale Netzwerk gestärkt, man kann sich zwanglos treffen, miteinander und übereinander sprechen, und es werden Synergien aus Dorfladen und Dorfcafé genutzt.
Auch ein touristischer Aspekt ist wichtig. Denn wenn man weiß, dass man eine Einkehrmöglichkeit in Winden hat, wird diese auch von auswärtigen Gästen besucht. Beide infrakturellen Maßnahmen standen immer auf der Wunschliste vieler Einwohnerinnen und Einwohner bei verschieden Veranstaltungen. Und diese wurden wunschgemäß durch den Ortsgemeinderat umgesetzt.
Zu einer modernen Gemeinde gehört heute eine gute Breitbandversorgung. Doch die lässt in Winden viele Wünsche offen. Wird die Gemeinde in die Verbesserung des DSL-Netzes investieren?
Gebhard Linscheid: Nun, wir haben ja DSL mit einer Übertragungsrate von 712 MB. Doch dies genügt den heutigen Ansprüchen kaum. Wir sind in Gesprächen mit dem DSL-Beauftragten der VG Nassau und werden in den nächsten zwei Jahren tätig. Vielleicht ergibt sich auch eine Möglichkeit, durch die Versteigerung der alten Sendefrequenzen. Die Ortsgemeinde bleibt auch hier „am Ball“.
Die Einwohnerzahl von Winden ist erneut gesunken und beträgt nur noch 762. Sehen Sie Chancen dafür, dass künftig mehr junge Familien in den Ort ziehen?
Gebhard Linscheid: Ja. Es fällt einer Ortsgemeinde nichts in den Schoß. Alle Einwohnerinnen und Einwohner sollen mitarbeiten, um unsere Gemeinde für alle, die ihren Wohnort verlassen wollen, attraktiv zu gestalten.
Wie wirkt sich das Problem des demografischen Wandels auf die Wohngebäude im Ort aus. Gibt es bereits eine größere Zahl von Leerständen?
Gebhard Linscheid: Derzeit haben wir zwei bis drei Wohnimmobilien, die einen Leerstand aufweisen. Baugrundstücke gibt es ebenfalls noch.
Blenden wir einmal fünf Jahre voraus. Wie sieht Winden im Jahr 2015 aus?
Gebhard Linscheid: Die Straße „Am alten Wasserhaus“, „Vor dem Wald“, und die Triftstraße sind fertiggestellt und dem Verkehr übergeben. Das Dorfcafé hat den 1000 Gast begrüßt, und der Dorfladen existiert.
Der Kindergarten hat noch zwei Kindergartengruppen, und in der Kirche wird sonntags noch regelmäßig Gottesdienst stattfinden.
Die Sanierung im Ortskern macht Fortschritte. Im Außen- und Innenbereich hat die Flurbereinigung gut funktioniert. Es entstehen zwei Neubauten im Ortskern.
Der Gasthof „Der Drehpunkt“ heißt nun „Zum Dorfplatz“, und der Betrieb funktioniert durch das junge Ehepaar gut. Es gibt auch wieder viele Kurzurlauber, die eine Unterkunft in den umgebauten Ferienwohnungen finden. Winden hat nun fast fünfzehn Ferienwohnungen. Die ehemalige Schule in der Hauptstraße wurde an einen Künstler, der Tonwaren herstellt, verkauft. Das Geschäft läuft gut. Winden hat immer noch 760 Einwohner. Alle Vereine haben eine Zukunft.
Herr Linscheid, vielen Dank für dieses Gespräch.
(Die Fragen stellte Rolf Goeckel)
August 6th, 2010 at 7:26 am
Hallo Gebhard, ist ja alles schön und gut, dass auch Privatpersonen Finanzmittel aus der Dorferneuerung erhalten. Das finde ich auch wirklich super! Aber warum denn nur die, die im Ortskern leben???? Haben nicht auch die anderen Bewohner, wie die in der Hahnenstraße, im Neuen Weg, Auf dem Acker usw,.also umliegende Straßen, ein Recht hierauf? Ich denke, es sollte entweder jeder einen Zuschuss erhalten oder gar keiner!!!!!!!!!!!!!!!!!
August 6th, 2010 at 9:30 am
Das Recht auf die Stellung eines Antrages auf Mittel der Dorferneuerung hat jeder Eigentümer einer Immobilie. Jeder Eigentümer, der Umbau, Ausbau oder Erneuerungen an seiner Immobilie plant, kann einfach in die Sprechstunde kommen, und man kann gemeinsam klären, ob das Programm der Dorferneuerung für das geplante Vorhaben Zuschüsse vorgesehen hat. Also es ist immer eine Einzelfallentscheidung.
Oktober 6th, 2010 at 7:14 pm
Liebe Windener,
ich habe nach dem Brand meines Hauses in Winden den Dorfladen in Großholbach/WW. gekauft und wegen Unrentablität sofort geschlossen, denn ich habe in der Schule Rechnen gelernt. Zu wiederkehrenden Beiträgen kann ich nur sagen: Für über 12.000 Tulpenzwiebeln ist Geld da, für Staßenausbau wird der Bürger zur Kasse gebeten! Frage: Wird jetzt auch Tulpensteuer erhoben, und wird jetzt die Kreisstraße in Tulpenallee umgewidmet? Anmerkung: Großholbach hat gleiche Einwohnerzahl wie Winden, wiederkehrende Straßenausbaubeiträge sind unbekannt, und die Straßen sind vorbildlich. j boers